Montag, 16. Februar 2015

Raritätenverkostung - Stift Klosterneuburg





Altweine, nur Raritäten oder doch trinkbare Zeitzeugen?


Gereifte Weine können zwar nicht sprechen, haben aber sehr viel zu erzählen und sind außerdem die einzig glaubwürdigen Zeugen, denn sie erzählen immer die reine Wahrheit. So mancher angebliche Jahrhundertjahrgang, erwies sich bereits nach relativ kurzer Zeit als nicht so potentialreich wie angenommen. Auf der anderen Seite präsentieren sich angeblich mittelmäßige Weinjahrgänge plötzlich potentialreich und reifen zu erstklassigen Köstlichkeiten heran.

Um feststellen zu können wie weit der Reifeprozess eines Weins vorangeschritten ist und ob er noch Entwicklungspotential hat, oder bereits am Höhepunkt ist, kann nur in Verkostungen ermittelt werden. Sinnvoller Weise sollten solche Verkostungen nicht nur alle zehn Jahre stattfinden, also wird auch ein etwas größeres Kontingent an Weinen benötigt. Das Stift Klosterneuburg verfügt über ein sehr beachtliches Kontingent an Altweinen, die regelmäßig verkostet werden. Diese spannenden Zeitreisen bleiben nicht nur dem Fachpersonal des Stifts vorbehalten, auch Weinliebhaber werden zu solchen Verkostungen eingeladen.

Bei der Verkostung am 12. Februar 2015 wurde ein äußerst interessanter und spannender Querschnitt an Weinen, zurück bis 1960, präsentiert:

Eines der Highlights war der Weißburgunder Jungherrn 2006, der nicht nur mit Sortentypizität, Kraft und Harmonie überzeugen konnte, sondern auch noch überraschend großes Potential zeigte. Ein feuchter Sommer und ein trockener, windiger Herbst begünstigten damals den Reifeprozess der Trauben. So konnte gesundes Traubenmaterial mit dem Prädikat trockene Auslese geerntet werden.

Auch die Burgunder Auslese 1967 sorgte für positive Überraschungen bezüglich Trinkgenuss. Noch immer kräftig und harmonisch, mit nussigen Aromen und schmelzigem Nachklang. Diese Auslese stammt von einer Stockkultur aus der Riede Brückelsteiner in Kahlenbergerdorf, die heute aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr bepflanzt wird.

Eindrucksvoll, elegant und harmonisch präsentierten sich die Traminer Auslesen der Jahrgänge 1996 und 1979.

Die Traminer Auslese 1969 versetzte mich sogar in Begeisterung. Perfekt ausgewogen, mit Blütenextrakt, Rosenholzaromen, dezenter Honignote und passender Säure. Der Nachklang animiert sofort zum nächsten Schluck. Kurz gesagt, 45 Jahre ohne Altersschwächen!

Ein weiterer Hochgenuss war der Sankt Laurent Große Reserve 2006. Dicht und kompakt in der Nase, am Gaumen füllig und elegant zugleich. Der kräftige, sehr harmonische Gesamteindruck bleibt mit einem anmutigendem Nachklang in aller bester Erinnerung.

Der Sankt Laurent Barrique 2003 hatte sogar noch jugendliche Tendenzen und überzeugte durch kompakte Frucht und saftige Fülle, mit auffallender, aber passender Säure. Die dezenten, sehr gut eingebundenen Holzaromen zeigen deutlich, dass dieser Wein als Lagerwein mit Entwicklungspotential gekeltert wurde und es ist noch immer Reifepotential vorhanden.

Der bemerkenswerteste Wein war eine Neuburger Beerenauslese 1973. Absolut kein Alterston in der Nase! Ausgewogene Aromen von Heublumen, Nüssen, Honig und einem Hauch Hibiskus. Am Gaumen kompakt, gut strukturiert, zart und schmeichelhaft. Im Abgang perfekte Balance aller Komponenten und der Nachklang ist noch immer in meinem Gedächtnis.


Ist der Höhepunkt überschritten, leidet der Trinkgenuss!

Wie Eingangs erwähnt, stimmen Jahrgangs- und Weinprognosen nicht immer. Ein gutes Beispiel dafür ist der Jahrgang 1997. Ein Jahrhundert Weinjahr, Weine mit extrem großem Potential und ähnliche Aussagen konnte man in vielen Fachmagazinen lesen. Dem ersten Teil kann zugestimmt werden, denn fast alle Weine des Jahrgangs 1997 waren dicht und kräftig, hatten viel Extrakt und hohen Alkoholgehalt. Bereits nach relativ kurzer Zeit waren die meisten dieser Weine trinkreif. Allerdings haben sie - bis auf einige, wenige Ausnahmen - ihren Höhepunkt bereits deutlich überschritten, weil sie doch nicht über so viel Potential verfügten, wie angenommen wurde. Dieses Schicksal wurde auch dem Sankt Laurent Ausstich - Stiftsbreite 1997 zuteil. Da nützen ihm auch alle Prämierungen nichts, er ist genießbar, aber weit entfernt vom wahren Trinkgenuss.

Der Sankt Laurent Ausstich 1960 reiht sich in die Riege jener Weine ein, deren Höhepunkt schon vor langer Zeit überschritten wurde, was aber nichts mit Jahrgangsprognosen zu tun hat. Damals wurden in Österreich leichte, süffige Rotweine gekeltert, die sofort trinkreif sein mussten, mit Vinifizierungsmethoden, die man heute zum Glück nicht mehr anwenden muss.