Montag, 23. Januar 2017

Neues vom Genuss Prüfstand


Zweigelt, so wie er sein soll


Die Rebsorte Zweigelt fühlt sich in der Weinbauregion Neusiedlersee sichtlich wohl und die Mehrheit der ansässigen Winzer versteht es auch diesem österreichischen Klassiker seinen typischen Charakter zu belassen.

Einer von ihnen, ist Paul Rittsteuer aus Neusiedl am See. Ich persönlich zähle Paul Rittsteuer zur Winzer Elite Österreichs, in jedem Fall wenn’s um die Rebsorte Zweigelt geht. Kürzlich landeten zur Freude des gesamten Verkostungs Teams zwei Zweigelt, ein klassisch ausgebauter und eine Reserve, auf unserem Genuss Prüfstand …


Zweigelt DAC 2015
Paul Rittsteuer, Neusiedl am See/Burgenland

Sehr schön, was den prüfenden Blicken der Verkoster da geboten wurde. Kräftiges Rubinrot
mit leuchtenden purpurfarbenen Reflexen ziehen mit kräftigen Schlieren ihre Bahnen entlang des Glasrands. Diese Optik hinterläßt den Eindruck, es müsse sich wohl um einen kräftigen Kerl handeln, der sich da im Glas breit macht.

Unsere Riechorgane konnten diesen Eindruck nur bestätigen. Kräftige Aromen von Herzkirschen und Weichseln mit sehr gut verwobenen Noten roter und schwarzer Beeren und einen Hauch von Karamell. Ein kräftige Duftspiel, weder derb noch kitschig, sondern überaus charmant und auch ein bisserl frech. Ja, so soll ein klassisches "Zweigelt Naserl" sein!

Am Gaumen vollmundig, gut strukturiert, angenehm fruchtig mit zarten, perfekt eingebundenen Tanninen. Dieser Bursche ist mit 13,5% vol. Alkoholgehalt alles andere als ein Schwachmatiker, aber der Alkohol ist sehr gut eingebunden und kommt nur sehr dezent zum Vorschein. Auf gut Österreichisch, ein g’scheites Maul voll Wein tanzt da im Goscherl herum.

Der Abgang zeichnet sich durch angenehme, um nicht zu sagen, perfekte Länge aus. Der Wein ist voll da und breitet sich auch ordentlich aus, aber er bleibt dabei immer charmant frech. Da hast du quasi einen g’standenen Naturburschen mit Finesse und Power im Glas.

Zurzeit befindet sich dieser Zweigelt im Stadium der beginnenden Trinkreife. Je mehr Luft ihm gegönnt wird, desto besser sein Trinkfluss. Ich bin geneigt den Gesamteindruck mit ziemlich großartig zu bezeichnen.

Ein verblüffende Überraschung: Aus welchen Gründen auch immer, eine Flasche mit maximal 2 Gläsern Inhalt (ordnungsgemäß verschlossen) war in Vergessenheit geraten und zehn Tage verschollen. Genau so unerklärlich stand sie am elften Tag wieder am Tisch, mit exakt der vermissten Menge an Zweigelt. Man ist ja nicht neugierig, man will’s ja bloß wissen, was soll der noch können, nach zehn Tagen der Vergessenheit? Der wird hinüber sein, oxidativ oder sonst was Grausliches, oder? Weit gefehlt, traumhaft war er! Ich hab ihn nicht nur verkostet, sondern gemeinsam mit meinem allerliebsten Weibchen ausgetrunken, oder besser gesagt begeistert genossen, denn aus einem tollen Zweigelt wurde ein sensationelles Trinkvergnügen!



Zweigelt Reserve DAC 2013
Paul Rittsteuer, Neusiedl am See/Burgenland

So wie in diesem Fall auch, deutet die Bezeichnung Reserve meisten auf Barrique Ausbau hin. Leider lautet die geschmackliche Übersetzung dann oftmals, sehr kräftige Holznote zu Ungunsten des Sortencharakters und des gesamten Weinerlebnisses. Paul Rittsteuer zählt glücklicher Weise zu jenen Winzern, die es verstehen Barriques dezent und unterstützend einzusetzen!


Gleich dem klassisch ausgebauten Zweigelt, besticht auch die Reserve mit kräftigem Rubinrot, purpurfarbenen Reflexen und einem leuchtenden Granatschimmer. Die am Glasrand gemächlich abfließenden Schlieren wirken beinahe zähflüssig, was Extraktreichtum vermuten lässt.

Am Gaumen wird diese Vermutung sofort bestätigt. Sehr viel Wein, mit passendem Fruchtkörper, zarten Tanninen und sehr dezenten Noten von Vanille Schoten. Das saftig, fruchtige Gaumenspiel mit kompakter Struktur vermittelt charmante Elegance.

Der Abgang mit seiner perfekt passenden Länge gestaltet sich gut ausbalanciert, mit ein paar charmanten Ecken und Kanten. Trotz seiner kräftigen Gesamtstruktur überzeugt dieser Zweigelt Reserve mit sehr gutem, animierenden Trinkfluss. 

Der Nachklang ist quasi stimmgewaltig und fordert vehement den nächsten Schluck ein. Diese Aufforderung würde angesichts des erstklassigen Trinkerlebnisses in einer Endlosschleife enden, was nur durch die Vernunft des Genusses verhindert werden kann.

Obwohl bereits angenehm trinkreif, sollten doch einige Flaschen im Keller verbleiben. Aufgrund ihres Potentials wird sich diese Reserve in den nächsten Jahren prächtig weiterentwickeln und  noch mehr unverfälschten, sortentypischen Trinkspaß bieten.




Fazit: Paul Rittsteuer versteht es die Rebsorte Zweigelt ins Rampenlicht zu rücken, indem er auf Charakter und Sortentypizität setzt, ohne Kompromiss, ohne Anpassung an irgend eine ominöse internationale Stilistik. Zweigelt von Format, genau so soll’s sein, bravo!



Verkostungsnotizen vom 20.01.2017




☛ ☛ ☛ Weissburgunder 2015